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„Rethink or die“ – Umdenken oder sterben!

Unter diesem Motto stand ein Vortrag im Rahmen des „Retail Days“ der diesjährigen ISPO-Academy, in dessen Zentrum das Thema Nachhaltigkeit stand. Nur wenige hörten gespannt zu. Warum nur wenige? „Der Handel ist noch nicht so weit“, war die eine Antwort. „Das Timing für den Vortrag war nicht gut gewählt“, eine andere. Dorothea Weniger sprach mit Gerd Bittl-Fröhlich darüber, ob denn die Messe München selbst das Thema Nachhaltigkeit gut umgesetzt hat.

Dorothea Weniger: Gerd, wie hast Du die ISPO 2017 erlebt?

Gerd Bittl-Fröhlich: Ich habe einen Aufbruch gespürt, die Stimmung war gut. Viele Hersteller waren mit dem winterlichen Wetter sehr zufrieden. Ich habe auch viele innovative Produkte gesehen und es hat mir gefallen, dass ihre Wertigkeit bei vielen Herstellern wieder ins Zentrum rückt, ohne dass dies zulasten der Erlebniswelten geht.

Und wo hakt es?

Ich vergleiche die Messe gerne mit einem Catwalk. Dieses Schaulaufen motiviert die Händler, keine Frage. Allerdings liegt hier auch der Knackpunkt: So wie es nur sehr wenige Menschen gibt, die die Mode des Catwalks im Alltag tragen, verstellt der ISPO-Catwalk den Blick darauf, was neben dem Glamour immer wichtiger wird. Wie halten wir es mit der Nachhaltigkeit? Mit „wir“ meine ich nicht die Messe München allein, ich meine die ISPO-Community, also auch die Aussteller, die den Marktplatz ISPO bespielen.

Was meinst Du konkret damit?

Ich erkläre es mal anhand eines sehr einfachen Beispiels: Auf der Messe stellt ein Hersteller Stahltrinkflaschen aus, die aufgrund der enormen Mengen weggeworfener Coffeeshop-Pappbecher entwickelt wurden. Warum schließt sich die Messe München nicht konzeptionell solchen Entwicklungen an und achtet z. B. bei ihrer Gastronomie ausnahmslos darauf, dass dort entsprechend gehandelt wird? So könnte die Messe das Thema „umweltbewusst handeln“ in einem ersten Schritt auch aktiv vorantreiben. Ich bin davon überzeugt, die Messe kann das.

Woher nimmst Du diese Überzeugung?

Ich habe Ansätze davon auf der Messe gesehen. Das neue Konzept in der Action-Halle B 6, aber auch in der Halle B 5 empfand ich z. B. als sehr erfrischend. Die jungen Leute dort haben richtig gearbeitet. Sie beschäftigten sich wieder mit den Produkten. Abends blieb dann Zeit zum Feiern – und sie haben richtig gefeiert.

Warum glaubst Du, tut sich die Sportbranche so schwer beim Thema Nachhaltigkeit?

Einmal abgesehen vom Team-Sport ist der Sport geprägt von Wettkämpfen. Das Individuum und die Attribute „höher, schneller, weiter“ sind ein wichtiger Faktor bei den Erlebniswelten des Sports. Für das Thema Nachhaltigkeit brauchen wir aber wieder mehr Sinn für das „Wir“. Die Frage ist doch, wie wir diese Welt unseren Kindern übergeben wollen. Wenn wir dieses „Wir“ mit dem „Sein in der Natur“ und der Verantwortung dafür verbinden würden, würden wir uns meiner Meinung nach auf dem Weg in die richtige Richtung bewegen. In diesem Sinne einen Weg vorzugeben, stünde auch der ISPO gut zu Gesicht. Denn manchmal hatte ich schon das Gefühl, während ich durch die Gänge lief, dass wir uns in einer Art „Blase“ bewegen und versuchen, uns aus der Verantwortung zu stehlen. Ich nenne das „Störfelder“ – Punkte also, an denen man mit einem Konzept zur Nachhaltigkeit ansetzen könnte.

Hand aufs Herz: Wie hältst Du es in Deinem Betrieb selbst mit der Nachhaltigkeit?

Konkret fallen mir zwei Beispiele ein: Bei der Verschickung der gewonnenen Preise verwenden wir nur gebrauchte Kartons – unsere Gewinner wissen das. Aus Autofahrten werden bei uns immer mehr Zugfahrten. Aber auch wir sind noch nicht perfekt, wir müssen weiter darüber nachdenken und dann neue Wege einschlagen.

Gleichzeitig müssen wir in unseren Schulungen das Thema Nachhaltigkeit nachvollziehbar darstellen und dafür sorgen, dass das Wissen darüber bei möglichst vielen Händlern, Verkäufern und Azubis ankommt, denn neben der allgemeinen Verantwortung drängt auch der Kunde immer mehr und fragt nach nachhaltigen Produkten.

Gerd, vielen Dank für das Gespräch.